Selbstverständlich stimmt der Satz nicht. Denn wo kämen
wir hin, wenn wir all diese japanischen und chinesischen Anlagen, die im Laufe
der letzten zweihundert Jahren in Europa entstanden sind, in Bausch und Bogen
verdammen würden. Eine grenzenlose Überheblichkeit! Man kann aber bei der Vielzahl von orientalischen
Gärten, die in den vergangenen Jahren bei uns entstanden sind, erhebliche
Unterschiede feststellen. An zwei Beispielenpaaren
sei es ganz kurz erläutert, die uns aber auch erlauben, festzustellen, welches
die wesentlichen Elemente sind.
a)
der japanische Garten im Park Clingental
in Den Haag und der japanische Garten in Interlaken
ist es Zufall, dass beides Mal die Schweiz betroffen
ist? Und erst noch in der Rolle des schlechten Beispieles. Den ersten sucht man während langer Zeit. Er
verbirgt sich tief im bewaldeten Teil des Parks, ist beinahe hermetisch durch
eine dichte Hecke von der Aussenwelt abgeschlossen.
Der Eingang ist kaum zu finden und er öffnet sich nur zu bestimmten Zeiten.
Und gelingt endlich der Eintritt, vermeint man sich in eine andere Welt versetzt,
verbunden mit der hiesigen lediglich durch die grossen
Bäume. Weiche Moose überziehen die Flächen, Wege führen verschlungen zu den
wenigen Bauten, die zur Besinnlichkeit einladen. Es ist ruhig, man wagt kaum
zu sprechen. Und doch scheint nichts dem Zufall überlassen. Es wird eine Spannung
aufgebaut, die durch nichts abgelenkt wird. Einfachheit und Zurückhaltung
herrschen vor, der Garten ist in sich gekehrt, wirkt durch sich selbst.
Ganz anders in Interlaken. Lärmig
geht es zu und her. Man flaniert auf der Einkaufsstrasse und ehe man sichs versieht, befindet man sich mitten in dieser üppigen
Kunstwelt von tosenden Wasserfällen, Karpfen fütternden Touristen und sonderbar geschnittenen Bäumen. Das Geheimnis
ist ganz und gar verraten, durch nichts wird man vorbereitet - ein Stück Konsumgut
als wärs ein Programmpunkt von Disneyworld.
b)
der chinesische Garten in Zürich und die Pagode im Park
von Oranienbaum bei Dessau
Geschenkten Gäulen soll man
nicht in das Maul schauen. Das ist eine Regel des Anstandes. Aber wenn einem
Plastikgebirge natürliche Steinformationen vorgaukeln, sauber geschnittene
Rasenflächen die Üppigkeit chinesischer Vegetation verdrängen und kaiserliche
Pavillons Bürgergärten zieren kommt man ins Grübeln. Wie weit hat es die
chinesische Gartenkunst gebracht? Ich weiss, ich weiss, es gibt kaum zeitgenössische gute Beispiele für
chinesische Gärten ausserhalb Chinas - und vermutlich
nicht einmal in China selbst. Ansätze sind in Nanjing
im Garten des Zimmer des Traumes gelungen.
Ich kenne fürwahr die
Originale. Bei späterer Gelegenheit wird hier ein Link zu einer speziellen
Abhandlung darüber zu finden sein und der Betrachter kann sich selbst ein Bild
machen.
Dieser Gefahr haben sich die
Erschaffer des chinesischen Gartens in Oranienbaum nicht ausgesetzt, Nicht nur
weil sie das Material dazu nicht besassen, sondern
vermutlich aus Ehrfurcht vor der Unerreichbarkeit des Originals. Er mag
zweihundert Jahre alt sein. Es entstanden sieben Brücken, ein chinesisches Haus
und die beeindruckende fünfgeschossige Pagode nach dem Vorbild im englischen Kew Gardens - ein sehr seltenes
Beispiel einer solchen Anlage aus dem 18. Jahrhundert. Man hat sich auf Wesentliches beschränkt, versuchte die
Stimmung einzufangen und nicht eine Kopie zu erstellen. Eine Meisterleistung
für die damalige Zeit. Welch ein Unterschied zum Getöse von Zürich.
Die (Un)Möglichkeit, japanische oder chinesische
Gärten in der Schweiz zu bauen.
So soll es in der Folge darum
gehen, diesem schmalen Grat entlang zu gehen, der uns
möglicherweise zu einem gewissen, wenn auch nie absolut erreichbaren Ziel
führen mag. Ich meine, es liegt in der Essenz verborgen, welche diesen Gärten
innewohnt. Den triviale Begriff der Ausstrahlung
möchte ich gezielt umschiffen, denn er würde bedeuten, dass von diesen Anlagen
etwas ausgehen würde, das sich unabhängig vom Betrachter entwickelt.
Natürlich ist es ein Ding der Unmöglichkeit in ein paar
wenigen Sätzen in das Geheimnis der asiatischen Gärten einzudringen. Zuallererst
müsste man den Begriff zumindest einschränken. Denn zwischen einem japanischen
und einem chinesischen Garten liegen Welten. Und die tropischen Gartenanlagen
im indonesischen Raum haben mit einer Villenanlage aus Shuzou
so wenig zu tun wie ein Barockgarten mit einem Landschaftsgarten von Lenné.
So wie sich die Kultur des
Abendlandes von jener des östlichen Morgenlandes unterscheidet haben sich auch
je völlig unterschiedliche Gartenkulturen entwickelt. Versteigen wir uns
trotzdem in eine kurze Betrachtung der beiden Hauptströmungen der Gartenkunst
in Fernost - in die japanische und die chinesische.
Der japanische Tempelgarten
Diese Anlagen sind es, welche
uns begeistern und von denen wir uns inspirieren lassen. Begriffe wie Einfachheit,
Abstraktion, Symbolik und Tradition treten in den Vordergrund. Oder einfacher
ausgedrückt: die Gartenkunst des Zen- Buddhismus ist vom Verständnis der Religion
kaum abzutrennen. Das Ensemble vereinigt nach ganz bestimmten gestalterischen
Grundsätzen gärtnerische Objekte wie Steine, Pflanzen, Wasserflächen, Wege,
die wiederum je symbolhaften Charakter haben. Das Spektrum recht vom einfachen
Sandgarten mit einigen Hügeln bis zur üppigen Gartenlandschaft, welche ganz
bewusst Landschaft durch Essentialisierung darstellt. Garten wird Teil der
religiösen Handlung und des Kultus.
Im weiteren bleibt der Garten
nicht statisch, ist seine Pflege nicht einfach bedingt durch die Anforderungen
der Objekte und Pflanzen, sondern auch die Handlungen, welche wir im Garten
durchführen, das Rechen des Kieses, das Beschneiden der Büsche und Bäume, ist
eine Art kultisch- meditative Handlung. Der Garten ist also eng mit der
spirituellen Haltung des Besitzers, Benutzers oder Bewohners verbunden.
Insofern sind sie für uns unerreichbar und auch unfassbar.
Aber die Qualität dieser
Gärten bringt es mit sich, dass sie uns, auch wenn wir sie nicht verstehen,
womöglich nie verstehen können, faszinieren, in den Bann ziehen.
Dazu gehört, dass wir uns
sich ihnen nicht unvermittelt nähern dürfen, sondern dass dazu immer zumindest
ein Akt der Annäherung vorangehen muss. Was unser Auge dann erfasst, verführt
unsere Seele und lässt den Intellekt scheinbar ganz beiseite. Nicht mit
analytischem Verstand erfassen wir, was wir sehen, sondern mit unseren Sinnen.
Dies mag damit zusammenhängen, dass wir vom Fremdartigen fasziniert sind, es
nicht einzuordnen vermögen und das ist auch gut so. Denn es würde wohl kaum zum
Ziel führen.
Der chinesische Hausgarten
Schon im Unterschied der
Titel wird klar, dass es sich um ganz andere Dinge handelt. Zwar ist der
Ursprung der beiden (Garten)Kulturen mehr oder weniger identisch, sie haben
sich aber im Verlaufe der Jahrhunderte völlig anders entwickelt. Dominierte in
Japan der Zen-Buddhismus mehr oder weniger das ganze Leben, entwickelte sich
China beinahe laizistisch. Die Lehren der grossen
Philosophen Lao Tse oder
Konfuzius bildeten neben dem Buddhismus, der Ahnenverehrung und weiteren
Religionen Schwerpunkte, die allerdings auch eine Art Religion darstellten.
Gerade das Nebeneinander
dieser unterschiedlichen Richtungen warf den Menschen immer zunächst auf seine
Persönlichkeit und seine Stellung im Staat zurück. Und so konnte sich ein ausgeprägtes
Bürgertum entwickeln und damit auch eine eigenständige, nicht religiös bedingte
Kultur.
Die grossen Gärten, die man
heute in China besucht und welche nicht zuletzt Ausdruck von Macht und Reichtum
sind, legen davon beredtes Zeugnis ab.
Insofern sind diese Gärten
auch einfacher zu verstehen, wenngleich sich darin auch unzählige Symbole
verbergen. Aber diese sind Gestaltungsmittel, wie sie in den klassischen
europäischen Gärten ebenso vorkommen und deren Bedeutung wir ebenso vergessen haben.
Zuvorderst in diesem
Gartentyp steht die Sehnsucht nach der
natürlichen Landschaft. Dieses Thema durchzieht den chinesischen Garten wie ein
roter Faden und folgerichtig sind die vier Elemente Wasser, Berge, Bauten und
Pflanzen immer vertreten. Der Gartenkünstler hat ein idealisiertes Bild einer
pittoresken Landschaft vor Augen, wie es sie in China z.B. im HuangShang Gebirge oder bei Guilin
gibt. Nun wird versucht, die Stimmung, die von so einer dramatischen Szenerie
ausgeht, einzufangen. Und es entsteht mitunter eine gewaltige Gartenlandschaft,
die nach unserem Verständnis manchmal sehr überladen erscheint mit all diesen
Steinformationen, Höhlen, verschlungenen Wegen, Stelen und Bambushainen.
Beginnt man aber zu erfassen, um was es geht, beginnt man auch zu begreifen.
Die Lieblichkeit der Szenerie zum Zwecke des Anhörens der Nachtigall
unterscheidet sich vom donnernden Wasserfall und der Gefahr steil aufsteigender
Felsformationen.
Eine Besonderheit ist auch die innige Verwebung von Garten
und Wohnbauten im Ensemble. Befindet man sich im Haus, ist man mitten im Garten
und wandelt man im Garten, so schreitet man durchs Haus.
Und wie erwähnt, Gärten sind
Ausdruck vom Macht und Reichtum. Man wollte seine Geschäftspartner oder
Untergebenen beeindrucken, überraschen und vielleicht auch verwirren und man
war es sich und der Gesellschaft schuldig, andere oder höher gestellte
Repräsentanten der Macht oder des Reichtums entsprechend zu empfangen.
Sollen wir es nun immer noch
wagen, hier bei uns entsprechende Anlagen zu bauen?
Wenn die Frage gestellt wird,
einen Garten oder auch nur einen Teil davon nach zumeist japanischen Vorbildern
zu gestalten, wird man zunächst mit angemessenem Respekt und vor allem mit dem
Wissen daran gehen, ein Original niemals erreichen zu können.
Vielmehr wird es darum gehen,
eben jenen Geist einzufangen, welche von diesen Gärten ausgeht. Die Harmonie,
die Besinnlichkeit, die Einfachheit - oder auch die Stimmung von Freude oder
Glück. Wir müssen auch wissen, dass es
unterschiedliche Gestaltungslehren sind, die wir anwenden. Sind es in Japan die
Regeln des Zen oder in China diejenigen des Feng Shui, sind es bei uns die
klassisch griechischen, die sich bis heute weiterentwickelt haben. Allerdings
ist es vermutlich nicht verwunderlich, dass alle Grundsätze zu ähnlichen
Ergebnissen kommen. Das menschliche Auge empfindet hier wie dort räumliche
Verhältnisse zwischen Objekten ähnlich.
Es geht also um die
Komposition und nicht um die Symbole, die wir kaum verstehen. Meines Erachtens
wird es dort gefährlich, wenn wir zu stark zu kopieren beginnen, wenn wir
beispielsweise Objekte wie Steinlaternen und Steinfiguren aufstellen und
meinen, damit einen japanischen Garten gestaltet zu haben.
Geben wir dem Garten zunächst
einen Sinn, eine Idee, werden wir uns bewusst, was wir damit bezwecken. Die
Formensprache des japanischen Gartens ist der Weg dazu.
Ein Garten, auch ein
asiatischer, besteht nicht aus der Summe seiner Einzelteile, sondern ist
Ergebnis einer philosophisch-religiösen Auseinandersetzung. Dies bedeutet, dass
wir uns an den Entwurf eines solchen Objektes eigentlich gar nie heranwagen
dürften. Und doch gefallen sie uns, erliegen wir der Versuchung, ein klein
wenig von diesem Geist einzufangen, uns angesichts eines entsprechend
gestalteten Gartens aus dieser Welt für Augenblicke entrücken zu lassen, dem rein materiellen zu
entsagen. Wenn uns dies gelingt, haben wir ein Meisterwerk vor uns.
Dorthin zu gelangen ist kein
einfacher Weg, denn wir tragen die erforderlichen Kenntnisse nicht in uns. Wir
haben zwar eine gewisse Ahnung der Materialien, der Formensprache und der
Kompositionen, wir kennen die Vorbilder und die Ideen, aber schliesslich
müssen wir uns auf unsere Intuition, auf unseren Geschmack und auf unseren Sinn
für das Wesentliche verlassen. Dabei entstehen nicht japanische oder
chinesische Gärten, aber wenn es uns gelingt, ein klein wenig in jenes
Geheimnis einzudringen haben wir vermutlich den richtigen Weg gewählt.
Begeben Sie sich in Ihren
Garten, der vielleicht von uns angelegt wurde und lauschen Sie auf Ihre Gefühl. Es sagt Ihnen, ob der Garten stimmt. Was wollen
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