Ich weiss nichts über Feng Shui. Kein Europäer weiss etwas über
Feng Shui und nur diejenigen Chinesen wissen etwas über Feng Shui, die von sich sagen,
sie kennten es nicht. Man kann Feng Shui nicht lernen, denn wie brächte man innerhalb
überschaubarer Zeit 3000 Jahre Kulturgeschichte in irgend einen Kopf hinein. Ich kenne
die chinesischen Gärten und die chinesische Architektur ein wenig. Es gibt nicht viele
der grossartigen Gärten in China, die ich nicht gesehen und studiert hätte.
Das chinesische Wörterbuch schweigt sich über den zusammengesetzten Begriff aus. Feng bedeutet zunächst Wind, dann aber auch Sitten und Gebräuche, Stil, Benehmen, je nachdem mit welchem anderen Begriff man es kombiniert. Shui heisst Wasser, Fluss. Es kommt der Verdacht auf, dass es sich nicht um einen eigentlichen chinesischen Begriff handelt, sondern um eine spätere Erfindung. Aber vielleicht ist mein (ziemlich grosses) chinesisches Wörterbuch nicht vollständig.
Bereits Kungfuzius (ca. 450 v.Ch) erteilt dem Feng Shui, resp. dem Aberglauben um das Bauen eine Abfuhr: Herzog Ai fragt den Meister Kung: "Ich höre, es sei unheilvoll, Anbauten am östlichen Flügel zu machen. Ist das wirklich so?" Meister Kung sprach: "Unheilvolle Dinge gibt es fünf, und der Anbau am Ostflügel gehört nicht darunter. Anderen schaden und sich selbst bereichern, das bringt Unheil über die eigene Person. Die Alten verwerfen und die Jungen heranziehen, das bringt Unheil über das Haus. Die Tüchtigen entlassen und die Untüchtigen anstellen, das bringt Unheil über den Staat. Wenn die Alten nicht lernen und die Jungen nicht lernen, das bringt Unheil über die Sitten. Wenn die Weisen sich verbergen müssen und die Narren die Macht an sich reissen, das bringt Unheil über ganze Welt. Fünf Dinge gibt es, die Unheil bringen, und der Anbau am Ostflügel ist nicht dabei".
Natürlich, diese beiden Herren hatten anderes im Kopf, als sich
über Details der Baukunst auszulassen. Eines war ihnen aber klar: Allfällige
gestalterische Attribute und Gestaltungsregeln an Haus und Garten können nicht das Heil
von Individuum und Gesellschaft sein. Dass sich in China diese Gestaltungsregeln aber
trotzdem etablierten, zur Anwendung gelangten, steht nicht im Widerspruch zu den Gedanken
der beiden Philosophen. Irgendwie müssen Gebäude ja gebaut werden, Kung und Laotse
lebten sicherlich auch in irgend welchen Hütten, ersterer allerdings eher in einem
Palast, letzterer in einer Hütte. Sie haben sich vermutlich so eingerichtet, wie es ihren
Gefühlen entsprach, haben in sich hineingefragt, wie ihre Seele den Raum empfindet, haben
sich Zeit genommen, darauf zu hören. Und haben die Wirkung der Gegenstände und des
Raumes interpretiert und so lange daran gearbeitet, bis sie ihrer Seele entsprachen. Und
lange, lange Jahre später sind einige klevere Chinesen und in ihrem Schlepptau auch
Westler hingegangen, haben die alten, schönen Häuser und Gärten, in denen sich die
Bewohner so wohl fühlten, analysiert (traditionelle Chinesen analysieren im übrigen nie,
sie tradieren) und für ihre Zwecke aufgearbeitet. Nun braucht man die eigene Seele nicht
mehr, sondern den Berater, der einem die Versatzstücke hinstellt. Und da man dafür viel
Geld bezahlt hat, käme es einem auch nicht in den Sinn, sie zu kritisieren oder zu
hinterfragen. Gegen den Berater ist grundsätzlich nichts zu sagen, solange er einem auf
dem Gestaltungsprozess begleitet, einen auf die wesentlichen Punkte hinweist, eben die
Empfindsamkeit der eigenen Seele und wie sie auf Objekte und Räume reagiert und nicht nur
nach Rezeptbuch Paravan's, Spiegel, Farben und Glücksbringer verteilt.
Noch ein drittes chinesisches Werk sei zitiert, das I Ging, das sog.
Buch der Wandlungen, ein Orakelbuch, irgend einmal im 2. vorchristlichen Jahrtausend in
China entstanden, dem die Verwendung des Begriffes Feng Shui, Wind und Wasser, entstammt.
Dem Buch und dem Orakel liegen 8 einfache Zeichen zu Grunde, die miteinander kombiniert,
unterschiedliche Deutungen ergeben. Für den Wind steht das Zeichen , für das Wasser das Zeichen
. Das ganze Buch - und damit auch die chinesische Geisteshaltung - ist
aufgebaut auf der sittlichen und gesellschaftlichen Ordnung. Dies ist das Fundament allen
chinesischen Denkens und Handeln, darauf lässt sich voraussagen und auch strafen und
darin eingebettet das Feng Shui. Feng und Shui ergeben zusammen das Huan, die Auflösung.
Der Wind, der oben über das Wasser fährt, zerstreut es und löst
es auf in Schaum und Dunst. Darin liegt auch der Gedanke, dass die Lebensenergie, wenn sie
sich im Menschen staut, durch die Sanftheit wieder zerstreut und aufgelöst wird. Daraus
ergibt sich (immer nach I Ging) folgendes Urteil (oder Orakel): Die Auflösung. Gelingen
Der König naht seinem Tempel. Fördernd ist es, das grosse Wasser zu durchqueren.
Fördernd ist die Beharrlichkeit. Und dabei entsteht folgendes Bild: Der Wind fährt über
das Wasser: das Bild der Auflösung.
So opferten die alten Könige dem Herrn und bauten Tempel. Das
Wasser beginnt im Herbst und Winter zu erstarren und zu Eis zu gefrieren. Wenn die milden
Lüfte des Frühlings kommen, lösst sich die Erstarrung und das in Eisscholle Zerstreute
vereinigt sich wieder. .... (Quellen: I Ging; Text und Materialien, übersetzt von Richard
Wilhelm; Kungfutse: Schulgespräche; übersetzt von RW.) Aus dieses Quellen lässt sich
schliessen, dass die wesentlichen Elemente der chinesischen Kultur und Gesellschaft
einerseits die Gruppe (Familie) und nicht das Individuum und dazu gehörend die Harmonie
sind. Sitte, Tradition und die Besinnung auf das Ursprüngliche sind die Mittel dazu. Das
Tao des Laotse (Sinn, Weg) ist keine Religion, sondern eher eine Anleitung zur Meditation
oder Besinnung auf das Wesentliche. Individualistische Ideen wie das Feng Shui haben in
diesem Umfeld eigentlich keinen Platz. Und trotzdem ist es existent und wird gebraucht. Es
ist vielleicht die Sehnsucht, die in jedem Individuum herrscht, die Sehnsucht danach,
reicher, schöner und grösser als der andere zu sein. Und so hat sich auch in China ein
Glaube an mannigfaltigen Symbole breit gemacht, vergleichbar mitdem griechischen
Götterglaube, der bei den wahrhaft Wissenden allenfalls missbraucht, nie aber geglaubt,
gelegentlich symbolhaft, emblematisch angewandt wurde. Die Zeichen- und Formensymbolik des
Feng Shui hat sich vermutlich aus grundlegenden ästhetischen Gesetzen entwickelt.
Gesetze, welche einerseits auf Grund praktischer Anwendung und Vernunft, andererseits in
feiner und intensiver gestalterischer Auseinandersetzung der Architekten und Künstler
entwickelt haben. Ich meine, wenn man sich in dieser überaus vielfältigen, der Tradition
verpflichteten, in ein philosophisch -religiöses Umfeld gebettete Architektur nicht
wirklich erfasst, kann man auch die Gesetzmässigkeiten des Feng- Shui nicht erfassen,
geschweige denn umsetzen. Und noch viel schwieriger ist es, diese chinesischen Grundsätze
und Ideen in einer europäischen Grundform und Materialverwendung umzusetzen. Kochbuchmethodik würde ich dies nennen, denn auch das beste
Kochrezept kann vom Laien nie so umgesetzt werden, wie es der Meister in seinem Reich und
Umfeld mit seinem Hintergrund kann. Dass die Elemente des Feng Shui, die man in unseren
Bauten und Gärten einsetzt möglicherweise trotzdem funktionieren, ist vermutlich darauf
zurück zu führen, dass man sich überhaupt mit gestalterischen Grundsätzen
auseinandersetzt. Etliche Beispiele zeigen aber auch, dass einiges auch daneben gehen
kann. Die Vertiefung in die chinesische Architektur- und Gartenkunst kann aber für unsere
Häuser und Gärten überaus fruchtbare Ergebnisse zeitigen. Ich selbst habe mich auf die
chinesische Gartenbaukunst eingelassen, zu erfahren gesucht, um was es dem Gestalter des
jeweiligen Gartens gegangen ist, welches seine Hintergründe und Ideen waren und wie er
sie umgesetzt hat.
Die Ergebnisse, so man überhaupt in der kurzen zur Verfügung
stehenden Zeit zu solchen kommen kann, sind verblüffend. Immer geht es um die Kunst der
Gestaltung, die Suche nach der Form, das Empfinden der Seele. Immer aber eingebettet in
das entsprechende kulturelle und soziale Umfeld.
Bauen Sie sich einen Garten nach den Künsten des
chinesischen Empfindens. Und nach der Symbolik des Feng Shui.
Aber lassen sie sich darauf ein, nehmen Sie sich Zeit dazu. Wir helfen Ihnen
dabei.