Eigentlich dürfte man sich an so ein Thema gar nicht heranwagen. Es ist
fast so, als würde man einen Titel wie 'Literatur’ oder 'das Meer’
oder so etwas in dieser Richtung wählen. Man kann über vieles im Gartenbau
berichten, die meisten Themen lassen sich im Rahmen eines Artikels doch einigermassen
abzeichnen und man sollte eigentlich meinen, dies würde sich auch mit den
Stauden und deren Zusammenstellung auch so verhalten.
Als erster nahm mit mein verehrter Lehrer in Weihenstephan diese Illusion. Im
grossen Versuchsgarten hatte er sozusagen unendliche Möglichkeiten, immer
wieder neues auszuprobieren. Uns Studenten gab er ein sehr nützliches und
praktisches Instrument in die Hand – sein numerisches Standardwerk der
Staudenverwendung. Die ganze Staudenwelt wurde in 7 grobe Gruppen (Lebensbereiche)
eingeteilt, angefangen vom tiefen waldigen Schatten bis hin zu den Wassergärten
und den Bauerngärten. Selbstverständlich wurde jede Gruppe wieder
unterteilt in je entsprechende Untergruppen, beispielsweise wuchernde Pflanzen,
Bodenbeschaffenheit, kurzlebige Arten und viele weitere. Musste man dann eine
Pflanzung mit Stauden erstellen, nahm man einfach die für die Situation
passende Gruppe, blätterte etwas nach vorne oder nach hinten und schon
hatte man die richtigen Pflanzen zusammengestellt.
Das war eigentlich narrensicher und ist es auch heute noch. Natürlich gab
es dann weitere Kriterien, so beispielsweise die Platzierung der Leitstauden,
die als erstes ihren Platz bekommen, dann die Berücksichtigung, dass herbstblühende
eher in den Vordergrund zu stellen sind, da sie die ganze Saison über immerhin
grün sind und erst im Spätsommer und Herbst ihre Pracht entfalten
und dann die dahinter stehenden, eingezogenen Arten verdecken.
Nur am Rande sei erwähnt, dass die Nachfolger von Hansen das System im
wesentlichen übernommen haben, die Bereiche jedoch alphanumerisch umbenannten,
die Bereiche also mit Abkürzungen umschrieben, was das ganze Handling lediglich
viel komplizierter machte, ohne eigentlichen gärtnerisch-wissenschaftlichen
Gewinn.
Und dann fuhr ich nach England. Unzählige Male mittlerweile,
manchmal nur übers Wochenende, ab und zu auch zwei Wochen. Hansen kennt
hier eigentlich keiner. Oder gibt es nicht zu. Der englische Amateurgärtner
fühlt sich als der Vertreter der Stauden schlechthin. Daneben gibt es nichts.
Und im allgemeinen wird tiefgestapelt. Das höchste, was man einem englischen
Gartenbesitzer entlocken kann, ist die Formel: ,das war vor zwanzig Jahren ein
verwilderter Sumpf oder eine überwucherte Wiese’. Jeder Garten in
England hat so begonnen. Aber das nur nebenbei.
Was machen die Engländer nun anders als die Deutschen?
Alles.
Aber sie haben es auch viel besser. Ihre Unterteilung der Stauden beschränkt
sich im wesentlichen auf die Farbe, die Höhe, den jahreszeitlichen Flor,
langlebig oder kurzlebig und damit hat es sich eigentlich.
Und – und das ist das entscheidende – sie haben keine extrem heisse
und trockene Sommer, keine kalten, nassen Winter, dafür ausgeglichene Niederschläge
und vor allem und an sehr vielen Orten, leicht lehmhaltige, sandige Böden,
die zudem meist noch leicht sauer sind, also mit einer Vielzahl von gelösten
Spurenelementen und Metallen. Nirgendwo auf der Welt findet man blauer blühende
Hortensien. Fragt man beispielsweise eine Engländerin, wie sie denn so
mit den Rosen verfahre, die so wundervoll blühen: ‚ach, wissen Sie,
ich nehme mir halt irgendwo einen Schoss, stecke ihn in die Erde und das gedeiht.
Und nein, spritzen tun wir eigentlich nicht’.
Die Engländer sind aber punkto Staudenrabatten auch grosse Betrüger.
Eine Staude ist etwas, das schön blüht und es spielt ja nun wirklich
keine Rolle, ob das nur einjährig oder mehrjährig ist. Hauptsache
ist, es ist lovely.
Noch in etwas sind uns die Engländer um Lichtjahre voraus: In der Bodenpflege.
Jeder und jede – ich mache diese Unterscheidung bewusst, denn die wahren
Meister in der Staudenverwendung sind die Frauen. Aber dies abzuhandeln wäre
ein weiterer Artikel, um nicht zu sagen ein Buch, wert. Vereinzelt findet man
gewiss auch ein paar Männer, das sieht man dann aber auch den Gärten
an, ich werde Beweise dafür liefern.
Wir sind bei der Bodenpflege stehen geblieben. Boden ist etwas, das man bearbeitet,
und zwar ständig und mit unglaublicher Behutsamkeit. Frau weiss, dass der
grobe Umgang mit der Erde dieser schadet. Also hegt und pflegt man diese sorgfältiger
als die eigene Haut, lockert sie ständig liebevoll, bringt nach den bestens
gehüteten Geheimrezept mehrmals jährlich eine Mulchschicht aus, bestehend
auch feinem, reifen Kompost, einer Spezialmischung, gut gelagertem Laub oder
feinen, kompostierten Holzschnitzel und was weiss ich was alles. Ich will nicht
weiter darauf eingehen, für was das alles gut ist und warum, aber es ist
es.
Die Engländer kennen auch sonst keine Hemmungen. Sie verfahren nach der
Devise: was schön ist, ist gut. Und schön ist alles, was anmutig ist,
gut gedeiht, einen speziellen Aspekt hat, heraus sticht, einmalig ist, sonst
keiner hat, sophistikatet genug ist, duftet, lang oder kurz blüht, bunte
oder grüne Blätter hat, Strauch oder Staude ist – kurz, alles
was ins Konzept passt. Was haben wir doch für Dünkel, was buntblättrige
oder panaschierte Pflanzen betrifft. Höchstens bei der Funkie ist das noch
knapp toleriert oder in äussersten Ausnahmefällen bei einem Euonymus.
Aber dann ist endgültig Schluss mit lustig. Was sind wir doch eigentlich
für Kostverächter. Dabei sparen die Engländer mit Strom und erhellen
eine dunkle Ecke in ihrem Garten mit einer köstlichen Komposition auch
hellgrün und gelbblättrigen Pflanzen. Staude oder Gehölz ist
egal, Hauptsache es harmoniert.
Und noch etwas: Die Engländer nehmen sich Zeit, unendlich viel Zeit, um
ihre Kompositionen zu gestalten. Welcher Gärtner würde sich bei uns
erlauben, für die Planung einer Staudenrabatte von sagen wir 50 m2 20 Stunden
zu verrechnen.. nur für die Planung und Pflanzenauswahl. Die Engländerin
nimmt sich diese Zeit brütet Stunden um Stunden über ihrer Komposition,
bis die richtige Zusammenstellung gelungen ist. Macht zwar vielleicht keinen
Plan, aber übt und probiert, sucht Pflanzen aus, verwirft dieses und jenes
und ändert alles wieder nach einem Jahr.
Damit hätten wir in groben Zügen die Grundelemente der Staudenverwendung
zusammen. Bis auf eines: die Pflanzenkenntnisse. Das ist das Fundament der Staudenverwendung.
Werfen Sie alle Bücher ins Feuer, nichts ist wahr, was dort drin steht.
Was natürlich eine masslose Übertreibung ist, ich weiss es. Aber fast
alle Bücher über Pflanzen, selbst die Standardwerke wir der Jelito-Schacht
für die Stauden, sozusagen die Bibel. Und auch Hansen oder die unzähligen
Spezialbücher über einzelne Gattungen, zu schweigen von der englischen
Literatur, die in diesem Sinne kaum zu gebrauchen ist.
Das Problem dieser im übrigen meist hervorragenden Werke ist, dass deren
Inhalt meist unter dem Gesichtspunkt einer speziellen Region, oder der Erfahrung
einzelner Personen geschrieben wurde und unsere speziellen Verhältnisse
in unserem Garten dem halt einfach nicht entsprechen. Was noch fast wichtiger
ist, ist der Mangel, dass diese Inhalte lange nicht in unserem Kopf sind und
somit nicht beliebig abrufbar und kombinierbar sind. Klar, auch ich nehme diese
Bücher zur Hand, wenn ich Rabatten und Staudenanlagen gestalte. Aber wie
viel wertvoller ist eine Erinnerung an eine spezielle Situation, dort und dort
war doch das und das, die und die Pflanzen standen auf dem und dem Boden zusammen,
bei den und den Verhältnissen. Wer über dieses umfassende Repertoire
verfügt ist erst der wahre Könner.
Eigentlich möchten wir über Staudenverwendungen reden, aber Sie sehen,
so einfach ist es nicht.
Ich denke das wärs fürs erste und ich muss mich jetzt endlich um meine
Staudenrabatte kümmern, die seit Jahrzehnten ein kümmerliches Dasein
fristet.
Aber Fortsetzung folgt.